Derzeit hält die Coronavirus-Pandemie die ganze Welt in Atem. Bei uns sind Schulen, Unis, Geschäfte und Kultureinrichtungen seit über einem Monat geschlossen. Mittlerweile zeigt sich: diese drastischen Maßnahmen haben ihre Wirkung erzielt; gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass uns die Bekämpfung der Pandemie noch sicherlich viele Monate beschäftigen wird. Es ist klar, dass dies eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft ist und viel Kraft kosten wird. Trotzdem sollten wir jedoch immer noch den Blick über den sozialen Tellerrand wagen und auch in Anbetracht der außergewöhnlichen Situation hier in Deutschland die Schicksale sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen in wirtschaftlich schwächeren Ländern berücksichtigen, da dort die Folgen der Pandemie womöglich um ein Vielfaches schlimmer ausfallen werden als bei uns.
Wir als Hilfsorganisation setzten uns besonders in diesen unsicheren Zeiten dafür ein, die sozial diskriminierte Gruppe der Schuhputzenden in La Paz durch ein vielfältiges Hilfsangebot zu unterstützen. Gleichzeitig wollen wir aber auch – beispielsweise durch diesen Post – ein Bewusstsein in der deutschen Gesellschaft dafür schaffen, wie groß die existentielle Bedrohung durch die Coronavirus-Pandemie für Bevölkerungsgruppen ist, welche sich nicht auf staatliche Hilfe und ein funktionierendes Gesundheitssystem verlassen können.
Die ersten beiden Fälle in Bolivien wurden am 10. März in Oruro und Santa Cruz registriert. Zwei Tage später wurden der Schulunterricht, Flüge nach Europa und Großveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern ausgesetzt. Kurz darauf wurden auch die Grenzen geschlossen, interprovinzieller Transport und öffentliche Treffen untersagt sowie die Öffnungszeiten von Märkten eingeschränkt. Wirtschaftliche Aktivität wurde auf die Lebensmittelversorgung garantierende Maßnahmen reduziert und das Haus darf nur noch von einer Person verlassen werden, um Lebensmittel zu organisieren. Derzeit liegt die Fallzahl bei 493, mit 31 Todesfällen und ebenso vielen Genesenen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass aufgrund der äußerst geringen Anzahl an Tests die Dunkelziffer wahrscheinlich deutlich höher liegt.
Obige Maßnahmen mögen in Anbetracht der relativ niedrigen Fallzahlen sehr streng wirken. Jedoch ist das Gesundheitssystem Boliviens nur unzureichend ausgebildet, weshalb eine unkontrollierte Ausbreitung die Krankenhäuser maßlos überfordern würde. Als weiteres Problem kommt die derzeit instabile politische Lage Boliviens hinzu. Denn seit dem durch Wahlmanipulationsvorwürfen bedingten Rücktritt des Ex-Präsidenten Evo Morales wird das Land von einer Interimsregierung geführt. Dies erschwert weiterhin das erfolgreiche Bewältigen der Krise.
Ein Großteil (ca. 60%) der bolivianischen Bevölkerung ist im informellen Sektor beschäftigt. Dies bedeutet insbesondere, dass sie keinen Zugriff auf sämtliche arbeitsbezogene Zuwendungen eines Wohlfahrtsstaates erhalten, auch nicht in diesen unsicheren Zeiten. Gerade für die Schuhputzenden macht die Quarantäne den täglichen Broterwerb unmöglich. Dies stellt sie vor eine existentielle Herausforderung und macht sie insbesondere von der Unterstützung durch Hilfsorganisationen wie Vamos Juntos abhängig. Wir haben mit einem Schuhputzer gesprochen und wollen die Quarantäne hier aus seiner Sicht schildern.
Ricardo M. lebt mit seiner Mutter zusammen und verlässt das Haus nur an einem Tag der Woche, um Lebensmittel zu organisieren. Die Quarantäne hat seinen Alltag radikal verändert, da er seit über einem Monat keine Gelegenheit mehr hat arbeiten zu gehen. Zwar hat er neben seiner Tätigkeit als Schuhputzer eine Ausbildung als Koch absolviert, jedoch sind die Gelegenheiten zum Kochen sehr unregelmäßig. Aufgrund seines ausbleibenden Einkommens muss er zur Verpflegung seine Ersparnisse aufbringen, welche jedoch von Tag zu Tag knapper werden. Dieser stetige Geldverlust bereitet ihm große Angst, da nicht absehbar ist, wann er wieder mit einem geregelten Einkommen rechnen kann. Ricardo warnt außerdem davor, als Außenstehender das bolivianische Gesundheitssystem zu überschätzen. Nur wenn man sich bewusst ist, wie ernst der Mangel an Ausstattung ist, kann man nachvollziehen, wie radikal die Regierung trotz der vergleichsweise niedrigen Zahlen vorgehen muss. Daher ist es auch sein größter Wunsch, dass die Pandemie möglichst schnell eingedämmt werden kann, sodass er wieder seiner Arbeit nachgehen kann, ohne dass dafür Menschenleben riskiert werden.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie sehr die ohnehin schon stark sozial benachteiligte Bevölkerungsschicht der Schuhputzer in La Paz auf Unterstützung angewiesen ist. Besonders betroffen ist davon die Lebensmittelversorgung. Bereits im Dezember 2019, als die konfliktreiche politische Lage die Existenz der Schuhputzenden bedroht hat, konnte Vamos Juntos diese erfolgreich mit Lebensmittelpaketen versorgen. Diese Art der Unterstützung ist gerade in Zeiten von Corona enorm wichtig. Daher wären wir sehr dankbar über alle Spenden, egal wie groß der Betrag letztendlich ausfällt! Denn auch in der Vergangenheit haben wir viele Male bewiesen, dass man auch durch viele gemeinsame kleine Beiträge eine große Wirkung erzielen kann.
Aufgrund der Ausgangsbeschränkung sparen viele von uns derzeit Geld, welches wir normalerweise für Unterhaltung, Transport oder Shopping ausgegeben hätten. Vielleicht sind Sie ja bereit, einen Teil des ersparten Geldes der Organisation zukommen zu lassen, damit wir in dieser schweren Zeit die Versorgung der Schuhputzenden gewährleisten können.